In Fortsetzung unserer Interviewreihe mit unseren Entwicklern haben wir uns mit QingYi, einem unserer Konzeptkünstler, für ein Gespräch zusammengesetzt. Während seiner gesamten Zeit bei uns hat QingYi viele Schlüsselkonzepte für Path of Exile geschaffen, angefangen vom Schöpfer und Innocence bis hin zu Schwester Cassia und den Vox-Zwillingen aus der Erweiterung Heist. In diesem Interview erzählt uns QingYi über seinen Hintergrund und seine Arbeit bei Grinding Gear Games und stellt einige seiner großartigen Kunstwerke vor.
Hallo QingYi, vielen Dank, dass du bei diesem Interview mitmachst. Erzählst du uns bitte etwas über dich und was du bei GGG machst?
Ich bin ein Kunstfreak, der verrückte Dinge wie Monster, MTX, NSC, Umgebungen und Grafiken im Rahmen meiner täglichen Routine entwerfe. Aber nach der Arbeit tue ich nichts Verrücktes und wende mich eher einigen Hobbys für ältere Herren zu, wie etwa der Bonsaipflege und Schreinerei.
Wie hast du als Konzeptkünstler angefangen?
Das ist eine lange Geschichte! Nach dem Studium versuchte ich mich in einigen kunstbezogenen Berufen wie etwa Innenarchitektur, Kunstlehrer an der Grundschule, Pixel-Artist, blieb aber nicht lange in einem davon, weil ich immer Spieleentwickler werden wollte.
Als ich 2009 fast ein Jahr lang arbeitslos war, beschloss ich, einen 3D-Kurs in einem Trainingscamp für Spiele-Outsourcing-Unternehmen zu belegen, da China zu dieser Zeit die weltweit größte 3D-Outsourcing-Branche hatte. Während der 4-monatigen militarisierten Ausbildung lernte ich den gesamten Arbeitsablauf bei der Modellierung und Texturierung von Spielen der nächsten Generation kennen. So bekam ich gleich nach meinem Studium ein Jobangebot von einem "namhaften" Studio. Als ich als 3D-Modellierer zum Mindestlohn arbeitete, habe ich nach der Arbeit viel gezeichnet, weil ich gerne etwas Kreativeres machen wollte.
Ein Jahr später schloss das Studio wegen steigender Arbeitskosten in China, und glücklicherweise gründete mein künstlerischer Leiter eine neue Firma und stellte mich als Konzeptkünstler ein, weil er wusste, dass ich zeichnen konnte.
Wie bist du dazu gekommen, bei Grinding Gear Games zu arbeiten?
Im Jahr 2015, als ich gerade mein weiterführendes Studium in Neuseeland abgeschlossen hatte, wollte ich mit meinem Arbeitsvisum nach dem Studium unbedingt einen Job finden. Glücklicherweise verfügte ich bereits vor dem Studium über mehr als 4 Jahre Berufserfahrung in der Industrie. Als ich Erik mein Portfolio per E-Mail zuschickte, war er mit meiner Arbeit ziemlich zufrieden und wollte, dass ich so bald wie möglich anfange.
Du hast hinter den Kulissen viele Konzepte und Illustrationen für Mikrotransaktionen, Monster und Gebiete im Spiel entworfen. Welche davon waren mit den größten Herausforderungen oder Einschränkungen verbunden?
Ich würde sagen: Schwester Cassia. Meine Aufgabe war es, eine Leonardo-da-Vinci-Nonne zu schaffen, die auch die Ingenieurskunst beherrschte. Ich bemühte mich, das Steampunk-Thema mit religiösen Elementen auszubalancieren und versuchte, auch einen Hauch von Rätselhaftigkeit hinzuzufügen. Nachdem ich mich auf eine der Skizzen festgelegt hatte, probierte ich eine 3D-Konzept-Pipeline aus, was für mich eine ziemliche Herausforderung darstellte, da ich früher alles per Photobashing erstellt oder gemalt habe. Dabei verwendete ich 5 verschiedene 3D-Anwendungen, nämlich Daz3D zum Posieren, Marvellous Designer zur Stoffsimulation, Maya zur Modellierung fester Oberflächen, Zbrush zum Modellieren und Keyshot zum Rendern. Es funktionierte ziemlich gut, nachdem ich schließlich in Photoshop nachgebessert hatte.
Was sind deine Gedanken zur Malerei im Vergleich zur 3D-Modellierung deiner Konzeptkunst?
Als Konzeptkünstler muss ich mich mit einigen Problemlösungen und Designentscheidungen auseinandersetzen. Ich muss also erfinderisch sein. Während die Malerei mir schnell Ideen liefern kann, kann die 3D-Modellierung mir beim ingenieurmäßigen Design helfen, um eine präzise Form und ein realistisches Rendering zu schaffen, das dem 3D-Modellierer später helfen könnte. Beides sind also wesentliche Fähigkeiten, die ich je nach Effizienz einsetze.
Kannst du uns einen Überblick darüber geben, was es braucht, um ein Stück Konzeptkunst fertig zu stellen?
Um ein Konzeptstück fertigzustellen, muss ich gut planen und nicht nur kritzeln. Mein letzter Arbeitsablauf sah wie folgt aus:
- Recherche (Google)
- Brainstorming (Schreiben)
- Sketch (Zeichnen)
- Modelling (3D-Apps)
- Übermalen (Photoshop)
Man konnte sehen, dass es sich um eine Designmethodik handelt. Die beiden Hauptfragen, die ich mir immer wieder stelle, sind, was die Idee ist und wie man sie effizient visualisieren kann.
Wieviel von deiner persönlichen Handschrift kannst du in deine Arbeiten für GGG einfließen lassen?
Gewöhnlich füge ich so viel wie möglich in die frühen Skizzen ein. Dann werden diese Ideen vom Team verfeinert und schließlich während der Ausführung praktisch umgesetzt. Es ist das Schönste, wenn meine ursprünglichen Gedanken es ins Spiel schaffen.
Gibt es auch coole Konzepte, die du entworfen hast, aber die es nicht ins Spiel geschafft haben?
Sämtliche Konzepte, die von mir stammen, haben in der Regel mindestens 3 bis 15 Optionen im Skizzenstadium, von denen nur eine bis zum Ende verbleiben kann. Die meisten dieser Ideen werden weggeworfen, aber nur sehr wenige unter ihnen werden in einigen Fällen zu Monstern oder neuen MTX.
Gibt es einen Aspekt bei der Konzeptkunst, der dir am meisten Spaß macht oder den du am interessantesten findest?
Sci-Fi ist für mich das spannendste Gebiet. Daher würde ich sagen, dass die Thaumaturgie-Überraschungskiste das interessanteste Konzept ist, an dem ich in Path of Exile gearbeitet habe. Denn Steampunk ist die einzige Wissenschaft, die ich in dieser dunklen Fantasiewelt erforschen könnte.
Hast du auch Hobbys, die nichts mit Kunst zu tun haben?
Ja, Bücher lesen und Filme schauen aus offensichtlichen Gründen. Auch Gartenarbeit und Gitarre spielen, um Stress abzubauen. In letzter Zeit habe ich die Holzbearbeitung als ein Nebenhobby begonnen, weil ich mich dazu entschlossen habe, etwas in der realen Welt statt in der virtuellen Welt zu basteln.
Versuchst du dich außer dem digitalen Medium auch in anderen Kunstrichtungen?
Ja, ich erstelle Bleistiftzeichnungen und Ölgemälde zur Meditation. Wahrscheinlich werde ich sie nach meiner Pensionierung ernst nehmen.
Welche Künstler haben dich am meisten inspiriert?
Da gibt es eine Menge:
- Claude Monet
- John Singer Sargent
- Zdzisław Beksiński
- Masakazu Katsura
- James Gurney
- Craig Mullins
- Jason Hong
- Jama Jurabaev
- Daisuke Tsutsumi
Hast du einen Rat für Leute, die professionelle Konzeptkünstler werden und in der Industrie Fuß fassen wollen?
Ich nehme an, dass alle von euch ein bisschen zeichnen können und dann aufhören, endlose Grundlagenzeichnungen zu machen oder sich verschiedene Tutorials anzuschauen. Nehmt stattdessen Kurse. Es gibt so viele gute Online-Kurse mit Mentorschaft von Learn Squared, Schoolism, Brainstorm, CGMA. Sie können euch nicht nur Fertigkeiten und Anwendungen beibringen, sondern auch die Arbeitsabläufe der Branche. Wenn ihr nur ein Jahr lang 4 Konzeptkurse ernst nehmt und ein gut präsentiertes Portfolio vorbereitet, bin ich sicher, dass ihr einen Job ergattern könnt.